Beim „Presseclub“ in der ARD sprachen am 8. Januar einige deutsche Journalisten über das, was an Silvester in mehreren Städten in Deutschland passiert ist: Randalen, Angriffe und genereller Krawall. Eva Quadbeck nutzt die uralte Killerspiel-Debatte als eine Erklärung.
Wer ist die Journalistin?
- Eva Quadbeck hat Geschichte studiert und arbeitete seit 2002 als Korrespondentin für die Rheinische Post in Berlin. Dort stieg sie zur Redaktionsleiterin und stellvertretenden Chefredakteurin auf.
- Seit 2019 arbeitet sie beim RedaktionsNetzwerk Deutschland, das für überregionale Inhalte verantwortlich ist, und leitet dort aktuell die Hauptredaktion.
- Quadbeck veröffentlichte als Co-Autorin eine Biografie zur ehemaligen deutschen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und ist häufig Gast bei Diskussions-Sendungen im Rundfunk.
Darum geht es bei der Diskussion: In der Silvesternacht zum Neujahr 2023 kam es in verschiedenen deutschen Städten zu Ausschreitungen. Die beiden, die dabei am häufigsten diskutiert werden, sind Berlin und Borna (Sachsen).
In Berlin sollen 18 Polizisten verletzt worden sein, einer davon schwer, wie der Tagesspiegel berichtet. Bei der Feuerwehr kam es laut Bericht zu 15 Verletzten, von denen einer ins Krankenhaus musste.
In der Hauptstadt sollen etwa Angriffe auf Feuerwehrleute mit mit Stahlstangen und Böllern vorgekommen sein. Auch Familien und Kinder sollen bei Angriffen mit Feuerwerk verletzt worden sein, dazu soll es es zu vermehrter Zerstörung von Eigentum und Läden gekommen sein.
In Borna dagegen sollen 200 Menschen durch die Innenstadt gelaufen sein, Polizisten und Einsatzkräfte „mit Böllern und Raketen angegriffen“ und dabei „Sieg Heil“ gerufen haben (via Berliner Morgenpost). Auch hier kam es zu Zerstörungen, etwa beschädigten Straßenschildern.
Die Diskussion bekam einen seltsamen Dreh zu Videospielen mit Gewalt und “Realismus”, wie es Call of Duty eines ist:
„Junge Männer sitzen vor diesen Spielen und morden“
Das sagt Quadbeck dazu: In der Diskussion rund um die Silvesternacht im Presseclub vom 8. Januar 2022 sprechen Hasnain Kazim, Eva Quadbeck, Jasper von Altenbockum und Ulrike Winkelmann über die Gründe und Erklärungen für die Ausschreitungen. Die Show lässt sich in der Mediathek der ARD anschauen.
Die Argumente der Diskutierenden sind hier meist sehr differenziert. Im vergangenen Diskurs sei es laut Kazim und Winkelmann etwa vorgekommen, dass einige Leute schnell mit Worten wie „Ausländer“ oder „Nazis“ kämen.
Es sei laut der Diskussion nicht von der Hand zu weisen, dass in Berlin zum größten Teil Personen mit Migrationshintergrund angegriffen hätten und in Borna rechtsradikale Begriffe verwandt wurden. Das sein jedoch nur Teile eines größeren Bildes. Etwa zur Hälfte der Show, bei Minute 21:35, wirft Eva Quadbeck dann ein (via Twitter):
Bei dem Stichwort Enthemmung würde ich gerne noch eine Ergänzung machen. Man darf nicht außer Acht lassen, welche Videospiele gespielt werden. Und mit welchem Realismus dort Menschen sich gegenseitig abschlachten. Und ohne mit der Wimper zu zucken sitzen eben vor allen Dingen junge Männer vor diesen Spielen und morden und jagen andere.
Und dass da auch dann teilweise nicht mehr die Realität gesehen wird, wenn man auf der Straße steht, und dann wahlweise gegen Polizisten oder gegen Rettungskräfte vorgeht, das kann zumindest auch eine Erklärung sein. Keine Entschuldigung aber eine Erklärung.
Woher kommt das Argument? Seit mindestens den 2000er-Jahren begleitet die „Killerspiel-Debatte“ das Gaming. Vor allem Politiker suchen immer wieder bei gewalttätigen Videospielen eine Begründung für Gewalt bei Jugendlichen. Dabei zeigen neuere Studien schon seit einer Weile, dass Videospiele eher das Gegenteil bewirken.
Dennoch werden vor allem Shooter immer noch als Sündenbock genutzt. 2016 hat etwa der öffentlich-rechtliche Kanal funk die Diskussion noch einmal aufgenommen und „Killerspiele“ für Amokläufe verantwortlich gemacht:
Mecker Mittwoch: Die Rückkehr der KillerspieldebatteAuf die Diskussion sprangen sogar US-Politiker auf, die Videospielen eine Mitschuld an Amokläufen geben. Einige Politiker gehen sogar so weit, dass sie solche Spiele ganz verbieten wollen.
Gewalt in Videospielen war auch einer der Gründe, warum Olympia 2018 entschied, E-Sport nicht aufzunehmen. Quadbeck greift diese uralte Diskussion nun sogar noch 2023 auf.
Gaming ist eigentlich schon längst in der Mitte der Gesellschaft angelangt und mehrere Studien behaupteten, dass Videospiele sogar für bestimmte Fähigkeiten förderlich sind. Die Forschung ist noch dabei, konkrete Auswirkungen festzumachen. Wir sprachen bereits mit 2 Wissenschaftlern darüber, was eigentlich die Faszination am Gaming ausmacht:
Wir haben Wissenschaftler gefragt: Warum spielen wir Spiele? Das ist die Antwort